26.12.2016

Mein böser, kleiner Weihnachtsbaum

In muslimischen Kreisen ist Weihnachten eine äußerst heikle Sache. Das spüre ich in meiner eigenen Verwandtschaft ganz deutlich.

"Deren Weihnacht" heißt es bewusst belustigend und herablassend, wenn von Weihnachten bzw. Jesus die Rede ist. Dabei gilt man doch als Ketzer, wenn man sich über etwas auslässt, das im Koran geschrieben steht. Doch die Parallelgesellschaft hat sich dazu entschieden, sich auf die Unterschiede zu konzentrieren, statt zusammen die Gemeinsamkeiten zu feiern.

Viel lieber sieht der Moslem, der seinen Glauben als einen solchen versteht, der andere ausschließt, im Weihnachtsfest alle westlichen Werte, mit denen er selber nicht zurechtkommt, in geballter Form, schillernd und bunt vor die Nase gerieben: den freien Willen, den Genuss am Leben und eine friedliche Demokratie, in der das alles möglich ist.

Wir waren früher an Heiligabend als Familie bei Freunden von meinem Vater eingeladen. Ich hatte also das typische Weihnachten mit Geschenken und immer denselben Geschichten, die erzählt wurden. Aber für mich war es etwas ganz Besonderes, weil ich wusste, dass dies in einer türkischen Familie nicht selbstverständlich war. Außerhalb dieses Abends war Weihnachten eher tabu. Meine ausgeprägte Vorliebe für Weihnachtsdeko bereitete Magenschmerzen.

Dieses Jahr habe ich zum ersten Mal meinen ganz eigenen Weihnachtsbaum bei mir zu Hause aufgestellt. Als meine Mutter mich abholen kam, um Essen zu gehen und "das Schrecken" auf dem Weg in die Küche aus dem Blickwinkel sah, wurde es erschreckend still und die Gesichter wurden lang. Auf dem Weg ins Restaurant sagte sie Dinge vor sich hin, wie "Gott, vergebe uns unsere Sünden!" Damit waren natürlich ich und meine Sünden gemeint. Ob ich denn wisse, dass heute "Kandil" sei, fragte sie mich. Eines von vielen muslimischen Feiertagen, die ich nicht kenne und nicht kennen muss. Diese Angespanntheit musste ich aushalten, bis im Restaurant schließlich die angeblich nur rein informative Frage fiel: "Was soll denn der Weihnachtsbaum?"

Ich behaupte nicht, dass der deutschtürkisch–muslimische Kulturkreis radikal im Sinne von "zu Anschlägen bereit" ist. Er hat mit dem Terror genauso wenig am Hut, wie der durchschnittliche Deutsche. Aber die Pflege dieser Missgunst, die ich spüre, wenn ich einen Weihnachtsbaum aufstelle, braucht nur einen Geisteskranken, der bereit ist, sie in Taten umzusetzen.

Bei mir jedenfalls wird es von nun an jedes Jahr einen Baum geben. Er soll immer größer werden, immer schillernder, immer bunter. Er soll immer lauter hinausschreien: Ich feiere Weihnachten und das werdet ihr mir nicht nehmen!